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Klaus Priechenfried, 2020

Felicity de Zulueta ist eine Psychiaterin und Psychoanalytikerin, die sich auf Trauma und Traumafolgen spezialisiert hat. Sie stellt in diesem Buch ihre Theorie dar, wonach Gewalt eine Folge von schmerzhaften Erfahrungen in der Kindheit ist, schmerzhafte Erfahrungen, ausgelöst durch Gewalt, Missbrauch, Erniedrigung oder Vernachlässigung. Diese Erfahrungen führen zum völligen Versagen von Bindungsprozessen. Die Bindungsforschung sei in der Lage diese Wege nachzuzeichnen, die von der Schmerzerfahrung durch traumatische Erlebnisse zur Ausbildung von Gewalttendenzen beim Jugendlichen oder Erwachsenen führen.
Diese Verbindung darzustellen und die diesbezüglichen Forschungsergebnisse aus Psychologie, Verhaltensforschung, Primatenforschung, Anthropologie und Neurologie zu referieren, das gelingt ihr ausgezeichnet. Ein besonderes Anliegen ist es ihr, zwei gängige Theorien zur Aggression gegeneinanderzustellen: die eine, dergemäß Aggression und Gewalt angeboren und natürlich ist, sodass Erziehung im besten Fall zur Kanalisierung und Beherrschung führen kann und die andere, dergemäß Gewalt nur durch eine Schädigung der Psyche entsteht, also durch schmerzhafte Erfahrungen hervorgerufen wird und danach nicht beherrscht sondern behandelt werden muss. Zweiteres ist natürlich ihr Zugang. Diese Fixierung von zwei Extrempolen, zwischen denen sie auch in der Theorie keine Übergänge sieht ist auch die einzige Schwäche dieses Buches.
Viel ist geschrieben worden zum Ursprung der meschlichen Grausamkeit, von der Erbsünde, die Augustinus begrifflich gefasst hat über Konrad Lorenz‘ Aggressionsbegriff, Freuds missverstandener Todestrieb als Ursache der Gewalt, bis zu evolutionsbiologischen Theorien, denen zufolge die Steinzeitjäger unser genetisches Material so geformt haben, dass wir eben aggressionsgetriebene Wesen sind. Zulueta referiert all das, übersichtlich und ihren Standpunkt vorbereitend.

In den folgenden Kapiteln wendet sich Zulueta ihrem Thema zu: zu zeigen, wie aus traumatisierenden Bedingungen und dem daraus folgenden Schmerz die Neigung zu Gewalt entsteht. Sie stellt einige ihrer eigenen Fälle sehr gut dar, kann zeigen, wie sehr diese Personen unter fehlenden oder sie missbrauchenden oder quälenden Bezugspersonen gelitten haben und welche Folgen das für ihre Psyche hatte.
Posttraumatische Belastungsstörung (engl Abkürzung PTSD) wird in den Diagnosemanuals unter anderem so beschrieben:
Arousal (dauernde Suche nach drohender Gefahr), verringerte Schwelle für Wut, Vermeidungsverhalten, Ertauben von emotionalen Reaktionen, Verlust der Interessen an Anderen, verkürzter Blick auf die Zukunft. Flashbacks, Durchleben und Reinszenieren der traumatischen Situation, sowohl in Position des Opfers als auch des Täters. Ertauben der Psyche selbst (Selbsthypnose, Dissoziation), Gefühl des Losgelöstseins von Anderen. Kein Zugang zum Vergnügen mit anderen, Vermeidung von Intimität und Abhängigkeit, Spannungen in der Partnerschaft, etc
Es folgt eine ausführliche Falldarstellung eines Kindesmissbrauchs aus der Sicht des Opfers, dem folgen wieder psychologische Überlegungen. Der Organismus steuert sich im Trauma nur unter der Maxime des Selbstschutzes. Wer sich fürchtet, ist weniger auf andere gerichtet und weniger empathisch. Sie verweist auch auf die Hirnforschung, die diese Zusammenhänge zwischen Empathiefähigkeit und starker Erregung nachvollziehen kann.
Bemerkenswert ist, dass soziale Traumen viel eher und heftiger PTSD erzeugen als Naturkatastrophen. Bei ersteren holen sich die Traumatisierten auch seltener Hilfe. Sie bekommen auch weniger Hilfe angeboten, meist sind sie auch schwieriger, depressiv, verstörter, unangenehmer, fallen eher in das Vorurteil "selbst schuld". Wenn nicht geholfen wird, entsteht PTSD viel häufiger. Wenn die Gemeinschaft aber unterstützend ist, entsteht kaum PTSD. Beispiele über Folgen von Hurricane – Katastrophen im Vergleich zu menschengemachten, wie dem Krieg oder die rassistische Verfolgung machen das deutlich.
Über all diese Belege kommt sie zu ihrer Schlussfolgerung, die einige Tragweite hat: PTSD ist eine Bindungsstörung! Kindliches Trauma ist gekennzeichnet durch Zurückweisung. Die Folge dieser Zurückweisung ist ein Versagen der Empathie, eine hohe Furcht, wieder angegriffen zu werden und daher eine ständige Aggressions- und Gewaltbereitschaft. Gewalt ist die Folge misslungener Bindung, misslungener Begleitung des Kindes beim Aufwachsen
Immer wieder: Gewalt ist eine Folge der missglückten Bindung "violence is a manifestation of attachment went wrong". Das gilt bei Menschen ebenso wie bei anderen Primaten:
Das Kind vermeidet den Blickkontakt mit der Mutter, um das Gefühl der Hilflosigkeit bei der Zurückweisung durch die Mutter zu vermeiden. Der Erwachsene vermeidet dann Intimität.
Traumatisierte haben eine automatisch ablaufende Reaktion, wenn das Zustandsbild, das mit dem ursprüngliche Geschehen verknüpft ist, aktualisiert wird. Das ruft eine intensive Reaktion auf Gefahr hervor. Dieser Auslöser und seine unmittelbare Reaktion entziehen sich kortikaler Kontrolle. Die Person weiß auch gar nicht, in welche Situation sie sich zurückversetzt fühlt. Stress, Aktivitätssteigerung und drängende Impulse hemmen die kognitive Steuerung. Der Zugang zu Symbolen und Imagination nimmt ab. Gute Beziehungsangebote können diese Reaktion hemmen und einer Steuerung wieder zugänglich machen. Gute Beziehungsangebote geben Opioide frei, die sind in der Lage die schmerzinduzierte Alarmreaktion zu dämpfen. Auch bei extremem Stress kommt es allerdings zu einer Opioidausschüttung, was dann durchaus erleichternd empfunden wird, Zulueta vermutet hier eine Grundlage des Wiederholungszwangs und der Reinszenierungen des Traumas. Sucht, Eingehen neuerlich gewalttätiger Beziehungen, Prostitution, Selbstverletzung könnten die Mischung aus dem Gefühl des Triumphes über den Körper gepaart mit Befriedigung bringen.
Die Gewaltakzeptanz in der Gesellschaft ist ein zweiter wichtiger Faktor für die Ausbildung dieser Muster. Sie wird gemessen durch
• Gewalt in den Massenmedien (Konsumhäufigkeit dieser Beiträge, Zielgruppe Täter/Opfer, Stdn vor dem Bildschirm)
• Staatlich ausgeübte Gewalt (Vorbildfunktion)
• Ansehen von Gruppen die legal Gewalt ausüben (Jäger, Nationalgarde, ...)
• Kulturelle Akzeptanz von Gewalt (Fragebögen)
Je höher die Werte umso höher ist die Rate der Vergewaltigungen in dieser Kultur! (Studie zitiert auf S. 259; „cultural spillover theory“)

Die Frage wie es zur Entmenschlichung der Anderen kommt wird neuerlich aufgerollt, wieder zuerst bei Affen, dann bei Menschen, den nationalistischen Kriegen, den Rassismen, der Abwertung der Frauen durch die Männer, der Missbrauch an Kindern zB als Arbeiter. Es folgt eine ausführliche Darstellung des Milgram-Experiments und vieler der Folgeuntersuchungen um verständlich zu machen, wie es zu "legitimierter Gewalt" kommt. Der psychische Abwehrmechanismus der Dissoziation wird immer wieder ins Spiel gebracht, um zu beschreiben, wie Täter es schaffen, sich vom Mitgefühl für das gequälte Opfer zu befreien. Der Quäler darf in seiner Phantasie attackieren, weil er sich an einem Feind auslässt, an dem er sich auch unbewusst oder bewusst rächt für das, was "der Feind" bei ihm selbst angerichtet hat.

Gerade Autoritäten selbst sind, weil ihnen die Macht entgegenkommt, in Gefahr, solchen Missbrauch zu begehen. Ärzte, Krankenschwestern, etc. Beispiele aus der Geschichte, NS Ärzte, Karadzic. Sie haben die Rolle des Forschers bei Milgram.
Die Frage ist natürlich, warum manche die Macht so missbrauchen und andere nicht. Die Antwort ist wieder das verwundete Bindungssystem gemeinsam mit narzisstischen Verletzungen.
Personen mit diesen Verletzungen sind häufiger Täter oder Opfer als andere. Den psychischen Entstehungsbedingungen widmet Zulueta dann ein Kapitel über Liebe und Haß, das viel Literatur über Bindung bei Menschen und anderen Primaten gibt. Hier trägt sie eifrig Material zusammen, das sie gut zusammengefasst zur Verfügung stellt. Ihre Schlussfolgerungen zur Theorie selbst gehen recht weit, mir manchmal zu weit. Sich mit dem Bindungstheorien zu beschäftigen, sie zustimmend in eine Theorie der Psyche einzugliedern ist eine gute Sache, daraus aber einen "entweder-oder"-Gegensatz zur Triebtheorie aufzubauen schießt übers Ziel. Die Verbindung von Triebtheorie und Bindungstheorie gehört im Gegenteil zu den produktiven theoretischen Entwicklungen in der Psychoanalyse der Gegenwart. Hier zeigt sich auch eine terminologische Schwäche: die Begriffe Aggression, Wut, Gewalt, Grausamkeit, Destruktion werden – trotz einiger Versuche am Beginn des Buches – nicht ausreichend abgegrenzt, dadurch gibt es unterbelichtete Teile wie die produktive und teilweise auch prosozial organisierende Kraft der Aggression. Diese selbst erscheint bei Zulueta wie ein Krankheitssymptom, verursacht durch schlechte Bildungsqualität. Ein Mensch mit intakter Bindungs- und Empathiefähigkeit ist nicht nur zu Pflege, Zuwendung und Liebe fähig, sondern auch zu aggressiven Handlungen, die bei ihm in passender Form durch beherrschende Kräfte moduliert bleiben.
Dies bleibt aber mein einziger Vorbehalt. Zulueta zeigt, auf welche Weise Personen mit PTSD, also ehemalige Opfer von Gewalt, aufgrund der Folgen dieser Erlebnisse häufig selbst eine Neigung zu Gewalt entwickeln. Das ist sowohl für die Arbeit mit ehemaligen Opfern als auch für die mit ehemaligen TäterInnen interessant.
Kurz ihre Kernthese: Durch ein sozial verursachtes psychisches Trauma werden psychische Abwehrmechanismen auf den Plan gerufen, die - am Weg über die mangelnde Ausbildung eines inneren Bindungssytems - zur Tendenz erhöhter Gewaltbereitschaft führen. Die auftretende Gewalt ist eine Folge der Umkehr des erlittenen Mangels in der Kindheit. Die narzisstische Wut - eine Folge der Beschämung, die darin besteht, die Zuneigung der Eltern nicht wert zu sein - kann dazu führen, dass "Andere" entmenschlicht betrachtet und zum Opfer der Gewalt gemacht werden. Die Gewalthandlung befriedigt unbewusste Rachegedanken gegen die ursprünglichen Verletzer, die in der Phantasie durch "Feinde" oder „Andere“ verallgemeinert werden. Die Angst wieder Opfer zu werden treibt die Täter an und liefert die erforderliche Energie.
… (altro)
 
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NEUSTART | Nov 22, 2023 |

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