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Opere di Britta Wulf

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Sesso
female
Nazionalità
Deutschland
Attività lavorative
Fernsehjournalistin

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Inhalt: Deutsche Fernsehjournalistin trifft auf sibirischen Naturburschen – und es hat zoom gemacht.

Huch, ein romantischer Reisebericht. Im Rahmen einer Serie an RBB-Fernsehdokumentationen sollte die Autorin über verschiedene Minderheiten berichten, und in diesem Teil sollte es zu den Ewenken an den Baikalsee nach Rußland gehen. Zu diesem Zweck nahm sie Kontakt zu einem Ewenken vor Ort auf, schrieb einige Monate lang mit ihm Emails und vereinbarte einen Drehtermin. Typisch russisch beginnt diese Reise mit allerlei Turbulenzen, und genau so sollte sie auch enden. Nach der Abreise meldet sich der Ewenke auch weiterhin bei ihr, da klingelt es dann: Hat sie sich nicht nur in Land und Leute, sondern speziell in den Ewenken verliebt? So läßt sie bei ihren Aufzeichnungen die Reise in diesem Lichte Revue passieren.

Meine Kritik, mit Zitaten und Spoileralarm:

Die farbenfrohe Gestaltung mit vielen interessanten Bildern und sogar zwei niedlichen Landkarten fällt sofort positiv auf. Besonders das Titelbild hat es mir angetan, jedoch ahnte ich schon, daß es eine Fotomontage ist: das Bild findet sich innen nochmals, aber ohne Rentier.
Das Buch beginnt ab der Zeit nach Filmdrehende und die Autorin reflektiert ihre Reise. Anfangs zieht sich die Erzählung etwas, doch es kommt etwa ab einem Drittel Fahrt auf und es wird richtig spannend. Die Gedanken sind sehr persönlich. Sie erinnert sich an die Dreharbeiten und die Stimmung steigt: wie wird ein Wiedersehen verlaufen? Die Autorin schildet ihre Erlebnisse nachvollziehbar und man kann sich richtig in sie hineinversetzen. Besonders gefallen hat mir, daß sie nicht blauäugig und öko in der Gegend herumfährt, sondern sehr reflektiert ist (S. 26): “Aber verlieben in eine unerfüllbare Beziehung kann jeder. Ich würde so gern ausprobieren, ob ich mich auch real noch einmal darauf einlassen kann.” Etwas ungewohnt ist, daß die Erzählzeit Präsens ist.
Typisch deutsch, rational und praktisch geht sie an die Sache heran. Deshalb meint sie auch, daß sie dem Ewenken Anatoli doch wohl kaum aufgefallen sein könnte in ihrer praktischen regenabweisenden Kleidung, also so, wie Deutsche sich gerne kleiden (S. 18: “Ich trage beim Drehen praktische, in diesem Fall besonders warme Kleidung. […] Nicht einmal geschminkt, warum auch.”). Das sieht man auch im Film, als sie dort ankommt, besonders deutlich. Doch sie ist eine aufmerksame Beobachterin; die Aufmachung der russischen Frauen ist ihr natürlich nicht entgangen (S. 18): “Dagegen hatte ich das Gefühl, daß die Russinnen selbst im Eisschnee und bei extremer Kälte nicht auf hohe Absätze und modernste Kleidung verzichteten.” Interessant, daß der Kontakt mit Anatoli auf sie rückwirkte: Beim Auftritt in Markus Lanz’ Sendung im März 2017 fiel mir ihre rundumerneuerte Aufmachung mit Frisur und Schminke auf. Hihi! Dort antwortete sie auch auf die Frage, was denn Anatoli hätte, was der Durchschnittsberliner nicht hat: “Er war ganz Mann.” Dem Naturburschen erlag sie natürlich vollkommen, da er sowohl zum Überleben fähig ist, als auch – sehr rußlandtypisch – mitfühlend ist und sich um andere zu kümmern weiß, wie sie besonders beim Wiedersehen feststellen wird. (S. 80: “Als Tolja sieht, daß ich geweint habe, bremst er das Auto und bleibt sofort am Straßenrand stehen. Er nimmt meine Hand und fragt sofort, was denn los sei, ob ich krank wäre, ob er etwas falsch gemacht hätte.” An anderer Stelle schildert sie, wie er ihre matschdurchtränkten Socken wäscht. Ein begleitender Amerikaner war total erstaunt und will wissen, ob alle russischen Männer sich denn so liebevoll um ihre Frauen kümmern. Die Russen (und Ewenken sehen sich auch als Russen) packen einfach so richtig an, beispielsweise renovieren die Eltern nach den Ferien die Klassenräume ihrer Schulkinder (S. 131)! Die setzen sich wenigstens noch ein, das könnte man in Deutschland auch mal einführen, wo in manchen Klassenzimmern die Decke herunterkommt. Die Schüler bringen ihren Lehrern zum Schuljahresbeginn Blumen mit und lernen sie so von Beginn an zu respektieren (S. 145).
Beide Kulturen prallen aufeinander, die praktische und logische deutsche, und die emotionale russische. Und wie schon oft gesehen, kann dies die perfekte Ergänzung sein. Sehr witzig fand ich das Auftreten der russischen Stereotypen wie Großzügigkeit, aber auch Ungenauigkeit (S. 12: er bezeichnete sich als ewenkischsprechend, aber es stellte sich heraus, daß er nur wenige Worte sagen konnte xD), Improvisationsgeist (S. 86: wie kommt man mit dem Geländewagen über riesige Schlammlöcher? mit Stämmen und Brettern, die man irgendwo aus dem Wald holt!; S. 87: mit Zigarette im Mund Benzin einfüllen? kein Problem! - okay, sie war nicht angezündet xD), Spontaneität (S. 105: die Männer gehen einfach los zum Fischen und Britta fragt sich, wie sie im Falle eines Falles eigentlich aus der tiefsten Wildnis wieder weg kommen würde xD), Auswanderungsdrang (zu denken, überall sei es bestimmt besser als dort; S. 135), Zugfahrten und ihre ungeschriebenen Gesetze (S. 142: Bett beziehen und dann morgens ordentlich wieder abziehen und zusammenrollen), Kefir gegen Magenrebellionen und überhaupt gegen alles (S. 144), nicht auf der Straße zu essen oder zu trinken (S. 144), Großzügigkeit und das Teilen (S. 213: Süßigkeiten, die man verschenkt, werden nicht sofort gegessen, sondern aufgehoben, um sie zusammen zu essen, das hatte ich auch schon erlebt – für uns paradox vorzustellen und man denkt sich: wieso aßen sie das nicht selbst, das war doch für sie gedacht).

Was dagegen ist typisch deutsch? Leider ist die Vermittlung der deutschen Kultur in (West-)Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern eher eine Seltenheit. Mir fielen in erster Linie Rationalität und praktisches Denken auf, doch auch Penibilität gehört dazu, also beispielsweise über kleine Dinge zu diskutieren (S. 185: “Ich fasse Mut und sage Tolja, daß es in Deutschland ein Scheidungsgrund wäre, wenn man immer wieder die Frau allein [nach dem Essen am Tisch] sitzenlassen würde. […] Er sagt nichts dazu. Am Abend im Bett sagt er plötzlich […]: In Rußland stehe man nur gemeinsam auf, wenn es sich um den Leichenschmaus handelt.”).

Auch die Vorteile, wenn man keine gemeinsame Muttersprache hat, kamen mir bekannt vor (S. 88): “Es ist ein gar nicht so schlechtes Gefühl, wenn man nicht ständig redet. Ich finde es gut, daß ich über jeden Satz, den ich sagen will, jede Frage, die ich stellen will, erst nachdenken muß. Ich quatsche nicht, wie bei mir sonst üblich, drauf los, sondern brauche meine Zeit, um Worte zu finden. Oft reichen meine Sprachkenntnisse gauch gar nicht aus, und die Frage, die ich stellen wollte, bleibt ungefragt. Auch nicht schlimm, denn dadurch beobachte ich viel genauer, freue mich, wenn sich Dinge von selbst erklären, und genieße meine eigene Schweigsamkeit.”

Sie besucht auch illustre Persönlichkeiten wie den Maler Alexander Grigorewitsch, der im Sommer an einem kleinen Häuschen im Baikal lebt und ortstypische Motive wie sibirische Häuser, Fisch, aber auch politische Themen malt (S. 67).

Zusätzlich zu dieser tagebuchartigen Schilderung vermittelt sie viele Informationen zu den Ewenken, ihrer Kultur und dem Leben am Baikalsee. Die Bilder haben mir alle gut gefallen, teils sind sie farbig. Wer sind die Ewenken und was machen sie? Sie sind eines der über 185 Völker in Rußland, aus seinem asiatischen Teil. In diesem lebt es sich im Vergleich zu europäischen Teil etwas ärmer, da es weniger Industrie, Arbeitsplätze und Infrastruktur gibt. Die Ewenken sind traditionell für Rentierzucht, Jagd und Fischfang bekannt (S. 12). Der Ewenke Anatoli beherrscht natürlich diese Künste und gibt der Autorin nach und nach kleine Einführungen in die Lebenswelt seines Volkes.

Außerdem erfährt man etwas über den Baikalsee. Es ist ein magischer Ort und jeder, der schon einmal dort war, schwärmt davon. Der größte Süßwassersee der Erde ist 673 km lang, diese Dimensionen sind ja schon einfach unglaublich. Er ist umgeben von undurchdringlichen Wäldern, so daß man als Verbindungsroute zwischen seinem südlichen und nördlichen Ende entweder das Wasser bzw. Eis nutzt, oder aber gleich das Flugzeug nimmt.

Natürlich gibt es viele Mythen über den Baikalsee (S. 42): “Hier bei Listwjanka entfließt dem Baikal der große Fluß Angara. Man kann die Stelle genau lokalisieren, denn hier ragt ein kleiner Felsen aus dem Wasser. Der Schamanenfelsen zeigt nicht nur den Ort an, an dem der Fluß sozusagen beginnt, er hat auch eine wunderschöne Geschichte. […] Väterchen Baikal liebt seine Tochter Angara sehr. Als sie zu ihrem Geliebten, dem Fluß Jenissei, flüchten wollte, war der Vater einen riesigen Stein nach ihr. Vielleicht sogar verständlich, wenn man weiß, daß der Baikal nur eine Tochter, also nur einen Abfluß hat, dagegen gibt es ungefähr dreihundert Söhne.” Auch weitere ewenkische Sagen werden erwähnt (S. 58): “In ewenkischer Sprache ist [Sinilga] die Bezeichnung für den ersten Schnee, und es war der Name eines wunderschönen Mädchens. Jeder Mann wollte dieses Mädchen für sich. Doch egal, was die Männer auch taten, sich scheiden ließen, gefährliche Abenteuer bestanden, niemand bekam das Mädchen zur Frau. Niemand durfte es besitzen. So wie der erste Schnee nicht bleibt, verschwand auch das schöne Mädchen.” Kleine Opfer zu bringen, ist wie in Rußland, so auch in Burjatien bei den Ewenken gang und gebe (S. 88): “Wir machen Halt an einem heiligen Ort. Irgendwann hat ein Schamane festgelegt, daß hier ein wichtiger Ort ist. Ich frage, was Alexander und Anatoli über den Schamanismus denken. Ich glaube, sie verstehen meine Frage nicht. Der alte Glaube ist einfach da und wird dort, wo es möglich ist, noch gelebt. Ein solcher Ort wie hier wird verehrt, aber darüber nachgedacht, warum sie das tun, haben die beiden noch nicht. Es funktioniert, und deshalb tun sie es. So legen wir gemeinsam Geld und Zigaretten für die Geister nieder und bitten um eine unfallfreie Fahrt. Am Baum hängen Patronenhülsen und eine alte Brille. Anatoli zeigt uns Kratzspuren am Baum. Hier muß ein Bär hochgelettert sein. Vermutlich hat er sich die Süßigkeiten geholt, die andere Einheimische hier für die Geister deponiert hatten.”

Ein paar kleine negative Anmerkungen habe ich jedoch auch. Zum einen unnötige Anglizismen wie “Cutter” (S. 21), “to do” und “Jetlag” (S. 39), oder “Winterboots” (S. 176), jedoch sind dies wirklich Ausnahmen und insgesamt ist der Schreibstil angenehm. Weitere kleine Ungenauigkeiten wie Kommasetzung (S. 26: “Mach mal, Mama”, S. 43: “Nackt ins Wasser zu gehen wäre hier vollkommen undenkbar”) und ein falsches russisches Wort (S. 39: “Marschrutka” wäre richtig statt “Marschrutnaja”, oder aber “Marschrutnoje Taxi” ginge auch). Weiterhin hat mich irritiert, daß die Autorin betonte, sie hätte keine Angst, alleine in Rußland herumzureisen (S. 31&45). Eventuell bezieht sich dies auf ihre schlechten Sprachkenntnisse, denn als Tourist hat man in Rußland wesentlich weniger zu befürchten als in Deutschland, was den sicheren Grenzen und guten Polizeikontrollen geschuldet ist. Sie meint, “in Deutschland würde auch oft eingebrochen” (S. 78): ja, von wem wohl? Ebenfalls ein hausgemachtes, der EU-Freizügigkeit geschuldetes Problem, denn früher war dies nicht so. Es gibt immerhin nur leichte Anflüge politischer Korrektheit (S. 145: “Schülerinnen und Schüler”). S. 120 “Alt wird man nicht in Sibirien”, so pauschal glaube ich das eigentlich auch nicht; nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es zwar riesige Probleme überall, doch seither ist die Lebenserwartung wieder gestiegen.

Alles in allem ist es eine spannende Fernbeziehung und ein spannendes Buch, und viele warten schon auf die Fortsetzung. Die Autorin fühlt sich wie die französische Schauspielerin Marina Vlady, die zu Sowjetzeiten eine Fernbeziehung zum russischen Sänger Vladimir Wyssozki führte (S. 151).

Fazit: So schön und erfrischend kann ein Buch über Rußland sein, wenn man es mit Liebe zum Land macht! Die Autorin ist eine gute Geschichtenerzählerin, deshalb kann man die zugehörige Dokumentation “Die Ewenken am nördlichen Baikal” ebenso empfehlen.

ISBN: 9783960790150, Rezensionszeitpunkt 20.09.2017
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Segnalato
Jantarnaja | Sep 28, 2017 |

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