Rez.: Wie Johannes, die Zentralfigur in "Schlafes Bruder", dem viel beachteten Erstling des Österreichers (BA 12/92), ist auch der Organist und Musikforscher Kemper, die Hauptfigur des vorliegenden Romans, ein von der Musik Besessener. Schneider, der sich zuletzt historischen Themen zuwandte (BA 10/04), hat sich eine ungewöhnliche Geschichte erdacht. Am Heiligen Abend 1992 findet der kleine Bruder Kempers im morschen Gehäuse der Kirchenorgel ein unbekanntes Werk von J.S. Bach. Der Fund krempelt das Leben Kempers um, zumal er bei der Überprüfung Unerklärliches erlebt: Die Partitur hat die Gabe, Erinnerungen wachzurufen, Zukünftiges zu beschwören. Erneut (vgl. BA 5/00) verknüpft Schneider ein spannendes Geschehen mit irreal-fantastischen Bezügen. Mit amüsanten Details garniert, wird der Weg der Partitur geschildert, für die sich auch ein Quartett von Bachforschern interessiert. Der unerwartete Plot des Geschehens lässt auch seine stille Liebe zu der verehrten Lucia in neuem Licht erscheinen. Ein raffiniert-bizarrer Roman über einen liebenswerten, von der Macht der Musik berauschten Helden. Empfehlenswert. (Almuth Hochmüller)